Und immer wieder... - der Gleichgewichtsinn Motorische Entwicklungsverzögerung
Kaum jemand denkt darüber nach, wie wichtig die ordentliche Reifung unseres Gleichgewichtsinns ist. Warum auch? Wenn alles so läuft wie es soll!
Tomatis hat schon in seinen frühen Arbeiten darauf hingewiesen, welche gigantische Rolle unser Gleichgewichtsinn (Vestibular-Apparat oder Vestibulum) für die meisten Kompetenzen, die das Menschsein auszeichnen, übernimmt.
Meistens nur, wenn uns schwindelig ist, bringen wir dies in Verbindung mit dem Gleichgewichtsinn.
Wenn man aber bedenkt, dass nicht nur die Bewegung (Motorik), sondern auch die Haltung, über sensible Sensoren im Innenohr gesteuert wird und wenn wir uns dann noch bewusstmachen, dass es ohne Grob- und Fein-Motorik keine Sprache, kein Schreiben, ja genau genommen auch kein Lesen gäbe, erahnen wir vielleicht, über welche Dimension an Wichtigkeit wir sprechen, wenn der Gleichgewichtsinn nicht ordentlich gereift ist und es zu einer sogenannten motorischen Entwicklungsverzögerung kommt.
Die wohl größte Herausforderung für unseren Gleichgewichtsinn stellte in der Evolution die Aufrichtung vom Vierbeiner zum Zweibeiner dar.
Für Tomatis stellt der aufrechte Gang eine Notwendigkeit zur Verbesserung des Hörens da, seit die Spezies aus dem Wasser ans Land gekommen sind.
Es sei hier darauf hingewiesen, dass das Neugeborene bei der Geburt aus der Schwerelosigkeit im Fruchtwasser kommt und den Übergang in die Gravitation vollziehen muss. Neben vielen anderen Anpassungsprozessen ist der erste Kontakt mit der Schwerkraft direkt nach der Geburt wohl der anspruchsvollste und vielleicht sogar Wichtigste. Aber bereits in den frühen Schwangerschaftsmonaten beginnt der Gleichgewichtsinn gemeinsam mit dem Tastsinn ab der 16. SSW seine Arbeit. Spätestens hier beginnt die motorische Entwicklung!
Es ist zu einem großen Teil die Bewegung der Mutter, die den Fetus im Fruchtwasser in Bewegung hält!
Das so wichtige Ordnungs-Prinzip „Organisation von Zeit und Raum“ wird von unseren Ohren
zur Verfügung gestellt. Auf Ordnungsprinzipien basierende Disziplinen wie das Rechnen,
die Grammatik, die Anordnung von Buchstaben, Geschichte, Erdkunde usw. können wir
nur dann gut meistern, wenn uns dieses Ordnungsprinzip „Zeit und Raum“ ordentlich
von der Sinneswahrnehmung übermittelt wird. Die Ohren gemeinsam mit dem Sehsinn
spielen hier die wohl wichtigste Rolle.
Übrigens ist die Motorik der Motor der Hirnreifung, und nicht umgekehrt!
Wir können uns also nicht so gut bewegen, weil unser Gehirn schon so gut entwickelt ist, sondern das Nervensystem des Kindes entwickelt sich über die Stimulation mit Hilfe der Bewegung.
Die Bewegung des Kindes ist also ein Schlüssel zur guten Gesamt-Reifung, und damit die natürliche Vorbereitung auf noch anstehenden Herausforderungen, entlang der Entwicklung vom Kleinkind bis zum Erwachsenen…